Sauerstoffmangel im Gehirn
Ein Schlaganfall verändert das Leben von Betroffenen oft grundlegend: Vorher selbstverständliche Dinge wie Gehen oder Sprechen werden häufig zur Qual. Bis zu 70 Prozent aller Betroffenen leiden nach einem Hirnschlag an Folgeschäden. Neue Therapieformen haben die Heilungschancen in den vergangenen Jahren aber deutlich verbessert – insbesondere, wenn der Patient sofort nach dem Ereignis in eine Stroke Unit, eine auf Schlaganfälle spezialisierte Notfallaufnahme, eingeliefert wird. Im Überblick
Wie entsteht ein Schlaganfall?
Durch das Gehirn eines gesunden Menschen fließt pro Minute fast ein Liter Blut – umgerechnet 15 Prozent unserer gesamten Blutmenge müssen also jede Minute durch unseren Kopf strömen, damit die Nervenzellen dort ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe bekommen. Ausgehend von den zwei großen inneren Halsschlagadern (der linken und der rechten
Arteria carotis interna) sowie den Arterien im Nackenbereich wird die Versorgung des Gehirns dabei über ein fein verzweigtes Gefäßsystem gewährleistet. Verstopfen diese Gefäße oder wird die Blutversorgung anderweitig gestört, dann gelangt nicht mehr genug Blut in das Gehirn – im schlimmsten Fall stoppt der lebenswichtige Strom von einem Moment auf den anderen, und es kommt zum Schlaganfall.
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Männer sind besonders gefährdet
Knapp 40 Prozent aller Patienten, die einen Schlaganfall erleiden, sterben innerhalb eines Jahres. Damit sterben derzeit jedes Jahr also rund 66.000 Menschen an einem Schlaganfall oder seinen Folgen. Besonders gefährdet sind Männer: Hochgerechnet erleiden von 100.000 Männern in Deutschland rund 200 Männer pro Jahr einen Schlaganfall, während es bei Frauen zu etwa 170 Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen kommt. Insgesamt erleiden also etwa 182 Menschen pro 100.000 Einwohner in Deutschland jährlich einen Schlaganfall. Aber auch wer einen Schlaganfall überlebt, hat oft noch lange mit den Folgen zu kämpfen: Mehr als die Hälfte aller Betroffenen, die nach einem Jahr noch leben, sind pflegebedürftig und auf fremde Hilfe angewiesen. Neben dem persönlichen Drama für die Betroffenen wie für ihre Angehörigen erwachsen daraus auch enorme Kosten für das Gesundheitssystem: Durchschnittlich 40.000 Euro betragen die lebenslangen Behandlungskosten, die von einem Schlaganfall verursacht werden, fanden die Wissenschaftler des Erlanger Schlaganfall Registers heraus.
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Hauptursache: Durchblutungsstörung im Gehirn
Je nach Ursache der Durchblutungsstörung im Gehirn werden Schlaganfälle in zwei unterschiedliche Formen eingeteilt: den
ischämischen Hirninfarkt, bei dem es zu einer Minderdurchblutung im Gehirn kommt, und den hämorrhagischen
Hirninfarkt – den Schlaganfall, der nach einer Hirnblutung auftritt.
Rund 80 Prozent aller Schlaganfälle sind
ischämische Hirninfarkte. Häufigste Ursache für diese Art des Schlaganfalls ist die
Arteriosklerose: In vier von fünf Fällen wird der Schlaganfall durch diese Gefäßveränderung ausgelöst. Dabei bilden sich an der kranken Gefäßwand Blutgerinnsel, auch
Thromben genannt, die das Gefäß verstopfen und den Blutfluss in den weiter hinten liegenden Gebieten stoppen. Dadurch erhält dieses Gewebe plötzlich nicht mehr genügend Sauerstoff. Besteht ein absoluter Sauerstoffmangel, stirbt das Gewebe nach einigen Minuten unwiederbringlich ab, es kommt zu einem
ischämischen Hirninfarkt.
Seltener – bei etwa 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten – führen Blutungen zu einem Schlaganfall, beispielsweise durch eine angeborene oder erworbene Gefäßmissbildung wie bei einem
Aneurysma: Die vorgeschädigten Gefäße reißen bei einem extremen Blutdruckanstieg besonders leicht. Die Blutversorgung wird dabei unterbrochen, und durch den Druck des austretenden Blutes verschlechtert sich auch in anderen Teilen des Gehirns die Durchblutung. Die Folge ist ein sogenannter hämorrhagischer
Hirninfarkt.
Zu diesem kann es in einigen Fällen auch durch Gerinnungsstörungen kommen: Das Blut ist zu dünn und tritt deshalb leichter aus dem Gefäß aus.
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Seltene Schlaganfall-Ursachen
Die meisten Schlaganfälle werden durch
Arteriosklerose und Herzrhythmusstörungen hervorgerufen. In seltenen Fällen kann ein Schlaganfall auch durch Krankheiten bedingt sein, die nicht – oder nicht auf den ersten Blick – mit einer
Arteriosklerose in Zusammenhang stehen. Zu diesen zählen Krankheiten des Bindegewebes, auch Kollagenosen genannt, entzündliche Gefäßkrankheiten und Krankheiten, die mit Eiweißablagerungen in den Gefäßwänden einhergehen, wie die Amyloidosen. Auch Krankheiten, die das Blut dickflüssiger machen, können zu Hirninfarkten führen. Hierzu zählen seltene Krankheiten wie:
- Leukämie – Erkrankung des blutbildenden Systems, manchmal auch Blutkrebs genannt
- Polyglobulie – eine Vermehrung der roten Blutkörperchen
- Sichelzellanämie – eine erbliche Erkrankung, die zum Verklumpen der roten Blutkörperchen führen kann
- Dysproteinämie – eine veränderte Eiweißzusammensetzung des Blutes
Auch extremer Flüssigkeitsverlust oder ein Hitzschlag können einen Schlaganfall hervorrufen. Fett- oder Luftembolien, wie sie nach schweren Verletzungen oder Tauchunfällen auftreten, sind ebenfalls seltene Ursachen für einen Schlaganfall. Tritt die
Embolie nach einem Taucherunfall auf, sprechen Mediziner von der Caisson-Krankheit. Hirninfarkte können auch durch
Parasiten, die sich im Blut befinden und Arterien verstopfen, ausgelöst werden – ein Beispiel dafür ist der Fuchsbandwurm.
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Vorhofflimmern kann zum Schlaganfall führen Bei einer bestimmten Art von Herzrhythmusstörung, dem sogenannten Vorhofflimmern, ist das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht – neue Forschungsergebnisse deuten auf ein bis zu zehnmal höheres Risiko bei Patienten mit Vorhofflimmern hin. Der
ischämische Hirninfarkt wird dabei von einem verschleppten Blutgerinnsel ausgelöst, das sich zuvor im Vorhof des linken Herzens durch veränderte Strömungsverhältnisse bei Vorhofflimmern gebildet hat. Akute Gefahr besteht, wenn sich Teile des Blutgerinnsels ablösen und mit dem Blutstrom fortgespült werden, denn oft bleiben diese Teile in bereits durch
Arteriosklerose verengten und geschädigten Arterien in der Hirnregion stecken. Thromben bilden sich bevorzugt im Herzen bei Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern, nach Herzinfarkt und bei einer Fehlfunktion der Herzklappen. Sie können aber auch aus erweiterten Arterienabschnitten, sogenannten
Aneurysmata, stammen. Hier verkeilen sie sich zwischen Verkalkungen und Plaques der Gefäßwand und führen so zu einem akuten Arterienverschluss. Diesen Vorgang nennen Fachleute
Embolie.
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Schlaganfall durch Medikamente, Drogen und Migräne Schließlich gibt es auch Medikamente und Drogen, die zu einer plötzlichen Verengung – sogar bis zu einem Verschluss – der Arterien führen können. Hier sind an erster Stelle Ergotamin, Amphetamine und Kokain zu nennen.
Zytostatika, die versehentlich in eine Halsarterie anstatt in eine Halsvene injiziert werden, können ebenfalls zu Hirninfarkten führen.
In Fällen der sogenannten Migraine accompagnée, der komplizierten Migräne, die mit Muskellähmungen oder anderen neurologischen Ausfällen einhergeht, treten gelegentlich auch Schlaganfälle auf. Frauen im gebärfähigen Alter, die unter Migräne accompagnée leiden, haben ein höheres Schlaganfall-Risiko als ihre Altersgenossinnen. Das ist das Ergebnis einer Studie an 291 Frauen, die im Alter von 20 bis 44 Jahren einen Schlaganfall erlitten hatten. 40 Prozent der Schlaganfälle bei diesen Frauen entwickelten sich direkt nach der Migräne-Attacke. Das Risiko erhöht sich, wenn Frauen die Pille einnehmen, unter Bluthochdruck leiden oder rauchen.
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Vorboten eines Schlaganfalls
Der Schlaganfall kündigt sich oft schon vorher durch vorübergehende Durchblutungsstörungen an: Die Versorgung mit Sauerstoff reicht noch aus für das Überleben der Zelle, doch ihre Funktion ist bereits eingeschränkt. Dies äußert sich oft durch vorübergehende Schwäche, Lähmungen, Sprach- und Sehstörungen.
Je nachdem, in welchem Feld des Großhirns sich der Schlaganfall ereignet, sind entsprechende Körperfunktionen beeinträchtigt.
- Lähmungs- und Taubheitserscheinungen
Ist beispielsweise eine Ader verstopft, die einen Teil der motorischen Großhirnrinde mit Blut versorgt, können Lähmungserscheinungen die Folge sein. Wenn die Steuerung der Gesichtsmuskulatur betroffen ist, zeigt sich das typischerweise durch einen herunterhängenden Mundwinkel. Lähmungs- und Taubheitsgefühle können darüber hinaus auch in Armen und Beinen auftreten. Die Extremitäten fühlen sich dann oft pelzig an. Meist ist aber nur eine Körperhälfte betroffen.
- Sehstörungen
Ein Schlaganfall zieht oft Sehstörungen nach sich, wenn Nervengewebe betroffen ist, das für das Sehen mitverantwortlich ist. Das Gesichtsfeld kann eingeschränkt sein. Betroffene nehmen häufig auf einer Körperseite keine visuellen Reize mehr wahr. So kann es vorkommen, dass Schlaganfall-Patienten plötzlich nicht mehr lesen können, weil sie eine Hälfte des Textes schlichtweg nicht mehr wahrnehmen. Oft sieht ein Schlaganfall-Patient Gegenstände allerdings auch als überlappende Doppelbilder. Kurzzeitige Erblindung ist ebenfalls möglich.
- Sprach- und Sprechstörungen, Verständigung
Auch Sprache und Sprachverständnis können bei einem Schlaganfall in Mitleidenschaft gezogen werden. Silben werden vertauscht. Betroffene sprechen lallend oder verwaschen und können sich ihrer Umwelt nicht mehr mitteilen. Es ist auch möglich, dass der Patient nach einem Schlaganfall nicht mehr lesen kann oder das gesprochene Wort seiner Mitmenschen nicht mehr versteht.
Verschwindet die Störung innerhalb von 24 Stunden wieder vollständig, handelt es sich um eine TIA, eine Transitorisch Ischämische Attacke. Fast die Hälfte der Patienten mit solch einer vorübergehenden Durchblutungsstörung erleidet in den folgenden Monaten oder Jahren einen Schlaganfall.
Bei einer TIA halten die Symptome für maximal 24 Stunden an. Bilden sich die Symptome hingegen erst nach mehr als einem Tag zurück, sprechen die Ärzte von einem prolongierten reversiblen ischämischen neurologischen Defizit (PRIND). Die Übergänge zu einem leichten Hirninfarkt sind hier fließend.
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